Berücksichtigung von Interaktionsrisiken bei der Alterskennzeichnung

Am 14.10.2020 hat das Bundeskabinett den Entwurf eines modernen Jugendschutzgesetzes beschlossen. Vorrangiges Ziel der Gesetzesänderungen ist es, minderjährige Online-Nutzer*innen besser vor Gewalt im Netz zu schützen. Anbieter sollen zukünftig verpflichtet werden, neben Medieninhalten auch Kommunikationsrisiken bei der Altersklassifizierung zu berücksichtigen.

jugendschutz.net hat sich in einer Machbarkeitsanalyse mit der Frage beschäftigt, wie Interaktionsrisiken bei der Alterskennzeichnung berücksichtigt werden können.

Bisher erfolgt die Altersbeschränkung eines Films oder Computerspiels nach § 14 Jugendschutzgesetz aufgrund beeinträchtigender Inhalte wie Gewalt, Sex und Drogen.

Junge Menschen nutzen Unterhaltungsmedien vor allem online. Für diese gelten zum einen unterschiedliche Alterseinstufungen aufgrund von individuellen Selbstklassifizierungsystemen, zum anderen bleiben Risiken durch Interaktionsmöglichkeiten unberücksichtigt.

Beispielsweise kann die Veröffentlichung von Klarnamen in Kombination mit Fotos oder anderen persönlichen Daten beim Anlegen eines personalisierten Profils dazu führen, online belästigt zu werden. Die Nutzung von standortbezogenen Diensten ermöglicht es, den Aufenthaltsort nachzuvollziehen, was die Gefahr realer Übergriffe mit sich bringt. In Livestreams sind Kinder und Jugendliche unmittelbar Ansprachen und Aufforderungen ausgesetzt, was Sicherheitsvorkehrungen einschränkt. Private Kommunikation mit Fremden erhöht die Gefahr von z.B. Cybergrooming. In-App-Käufe können Druck aufbauen, um in Spielen erfolgreich weiter zu kommen oder mitzuhalten.

jugendschutz.net versucht in der vorliegenden Analyse, diese Risiken zu operationalisieren, damit sie als Kriterien in Selbstklassifizierungen einfließen. Dabei gehen die Verfasser*innen auf die jeweilige Interaktionsfunktion, das mögliche Risiko, die Anforderung an die Funktion und mögliche Auswirkungen bzw. Empfehlungen für eine Alterseinstufung ein.

So könnte z.B. bei Apps, in deren Voreinstellungen Profile vollständig öffentlich einsehbar sind, die Alterskennzeichnung mit 16 Jahren erfolgen. Diese Einstufung empfiehlt jugendschutz.net auch, wenn Kommunikationspartner*innen nicht einfach entfernt oder blockiert werden können. Eine vom Alter unabhängige Bewertung könnte es beispielsweise geben, wenn keine Standortangaben vorhanden sind. Sind Standortangaben unbeschränkbar für alle öffentlich einsehbar, sieht Jugendschutz.net keine Jugendfreigabe.

In Bezug auf Instagram (bei Google Play und im App Store ab 12 Jahren) würde dies eine Alterskennzeichnung mit 16 Jahren bedeuten, da sowohl das angelegte Profil als auch Standortangaben voreingestellt öffentlich einsehbar, diese aber nachträglich beschränkbar sind.

Obwohl Standortangaben bei WhatsApp (bei Google Play ab 0, im App Store ab 12 Jahren) nur mit ausgewählten Personen geteilt werden können, würde die App ebenfalls mit 16 Jahren gekennzeichnet werden, da das angelegte Profil voreingestellt öffentlich einsehbar, aber nachträglich beschränkbar ist.

In Clash of Clans (bei Google Play ab 6, im App Store ab 9 Jahren) beispielsweise kann man kein Profil anlegen, das von anderen aufgerufen werden kann, gibt es keine Standortangaben und auch keine private Kontaktmöglichkeit. Daher würde das Spiel in Bezug auf diese Kriterien ohne Altersbeschränkung bewertet werden.

Noch sind die Kriterien nicht für alle Risiken erstellt. Auch ist noch nicht klar, ob ein einzelner, als riskant eingestufter Risikofaktor ausschlaggebend für die höchste Bewertung ist. Die Machbarkeitsanalyse zeigt aber, dass eine Berücksichtigung von Interaktionsrisiken in der Altersklassifizierung prinzipiell möglich ist, auch wenn die konkrete Umsetzung noch von vielen Fragen geprägt sein wird. Jugendschutz.net fügt der Analyse auch drei Beispielbewertungen anhand der eigenentwickelten Fragebögen bei. So wird der Prozess besser nachvollziehbar.

Daher sollten weiterhin die Altersempfehlungen der USK und der App-Stores beachtet werden. Pädagogische Altersempfehlungen für Computerspiele sind auf der Webseite des Spieleratgebers NRW zu finden.

Möglicherweise ist es sinnvoll, App-Stores mit einer PIN oder Freigabeanforderung zu versehen, um das Herunterladen einzelner Apps separat zu genehmigen.

Regulatorische Maßnahmen wie Altersbeschränkungen sind jedoch nur eine mögliche Präventionsmaßnahme, die bei fehlender technischer Kompetenz (z.B. Einrichtung von Jugendschutzprogrammen) oder fehlender technischer Beschränkungen (z.B. Altersabfrage ohne Nachweis) unzureichenden Schutz bieten.

Medienkompetenzvermittlung hingegen und ein regelmäßiger Austausch zu möglichen Risiken befähigen Kinder und Jugendliche, sich selbst vor gefährdenden Einflüssen zu schützen.

Sollten Sie weitere Fragen zu Altersbeschränkungen von Filmen und Computerspielen haben oder wissen wollen, wie Sie Jugendschutzeinstellungen an den verwendeten Geräten vornehmen können, freuen wir uns auf Ihre Mail an jugendschutz@fjp-media.de.
Natürlich sind wir auch per Telefon unter 0391 5037638 für Sie erreichbar.