Likee – das gefährlichere TikTok?

Auch wenn Likee bereits seit 2017 erhältlich ist, so geriet die Kurzvideo-Plattform in den letzten Wochen wieder in den Fokus. Anlass dafür ist eine von STRG_F produzierte und von der Initiative Klicksafe begleitete Reportage, die über Cybergrooming-Vorfälle auf Likee berichtet. Mittlerweile ist die App nur noch im Google-Play-Store für Android-Geräte verfügbar. Ob die Plattform tatsächlich für Kinder und Jugendliche geeignet ist, welche Gefährdungspotentiale von ihr ausgehen und wie diesen vorgebeugt werden kann, erfahren Sie nachfolgend.

Was ist Likee?
Likee ist ein Soziales Netzwerk, auf dem die Nutzer*innen selbst Kurzvideos produzieren, bearbeiten und veröffentlichen sowie die Videos anderer User*innen konsumieren und kommentieren können. Außerdem können auf Likee auch Livestreams geschalten und angesehen werden. Dabei unterscheiden sich die Tools nur wenig von der größeren, beliebteren Plattform TikTok. Zum Vergleich: TikTok verzeichnete 2023 rund 1,6 Milliarden Nutzer*innen weltweit, bei Likee sind es ungefähr 150 Millionen.
Zur Beliebtheit von Likee bei Heranwachsenden können keine Aussagen getroffen werden. In Befragungen von Kindern und Jugendlichen wie in den KIM- und JIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest tauchte die App bisher nicht auf. Die meisten jungen Menschen aus Deutschland sind demnach eher auf TikTok aktiv. Trotzdem zeigen Ergebnisse der genannten Reportage, dass zumindest einige Minderjährige – in vielen Fällen junge Kinder – Likee nutzen. Im Google-Play-Store ist die App ab 12 Jahren ausgewiesen.

Worum geht es in der STRG_F-Reportage?
Das Ziel der Recherche war es, Vorfälle von Cybergrooming auf der Plattform Likee zu dokumentieren. Cybergrooming bedeutet hierbei das Anbahnen sexueller Handlungen an Kindern durch Erwachsene über das Internet. Dafür gaben sich zwei Journalistinnen als minderjährige Mädchen aus und starteten an mehreren Tagen Livestreams auf Likee.
Bereits in den ersten Minuten der Reportage wird deutlich, wie viele stark sexualisierte Inhalte auf Likee zugänglich sind. Häufig sind die Protagonist*innen in den Videos Kinder. Auch in Livestreams, die von Jüngeren geschaltet werden, tauchen immer wieder sexualisierte Nachrichten auf. Dazu zählen beispielsweise Aufforderungen an das Kind, sich auszuziehen oder sexuelle Handlungen an sich vorzunehmen sowie sexuell belästigende Kommentare über das Aussehen. Einige Kinder zeigen und verhalten sich – ob bewusst oder unbewusst – sehr aufreizend. Dass Likee scheinbar für solche Inhalte bekannt ist, wird unter anderem in den Bewertungen der App im Google-Play-Store ersichtlich. Hier beschweren sich nicht wenige über „perverse“ Beiträge oder über die Tatsache, dass sich viele Nutzer*innen „als jemand anderes ausgeben“.
Die Journalistinnen erlebten in ihrer Rolle als junge Mädchen ähnliche Vorfälle. So erhielten sie zum Beispiel Nachrichten, in denen sie zum Versenden intimer Aufnahmen aufgefordert wurden, manchmal auch mit dem Angebot einer Gegenleistung (z.B. Geschenke). Zudem wurden ihnen pornografische Darstellungen (z.B. „Dickpics“) zugesendet und um Treffen außerhalb des Internets gebeten.

Likee – (k)eine App für Heranwachsende?
Die Ergebnisse der Reportage sind erschreckend. Ungeachtet dessen sollte in Erinnerung bleiben, dass Cybergrooming prinzipiell auf allen sozialen Netzwerken, somit auch auf TikTok und Instagram, stattfinden kann. Nicht selten werden ebenso Chats in bei Kindern beliebten Online-Spielen (z.B. Fortnite oder Roblox) genutzt, um sexuelle Übergriffe vorzubereiten.

Einen Account erstellen können sich Nutzer*innen erst ab 18 Jahren. Jüngere können sich lediglich Videos ansehen. Livestreams mitsamt der problematischen Kommunikation in der darin befindlichen Kommentarspalte sind demnach für Minderjährige nicht vorgesehen. Dies setzt allerdings voraus, dass sich Kinder und Jugendliche mit ihrem korrekten Alter anmelden, denn eine zuverlässige Verifizierung gibt es nicht.
Likee schreibt zudem bestimmte Community-Richtlinien vor, die unter anderem pornografische und spezifische sexualisierte Inhalte verbieten. Nutzer*innen können somit die bei Likee befindlichen Meldeverfahren nutzen, um nicht geduldete Videos oder Kommentare löschen zu lassen.
Ob Eltern ihren Kindern die Nutzung der App erlauben sollten oder nicht, ist an verschiedene Faktoren geknüpft und letztendlich Entscheidung der Erziehungsberechtigten. Folgende Tipps können die Verwendung der App für Minderjährige sicherer machen.

Kurz und knapp – Was können Eltern tun?
• Klären Sie Ihr Kind über die Richtlinien von Likee und entsprechende Meldeverfahren auf. Meldungen können in der Likee-App über den Melde-Button oder per Mail an Likee erfolgen.
• Sollten Sie oder Ihr Kind auf rechtswidrige (z.B. pornografische bzw. kinderpornografische) Inhalte stoßen, können Sie diese zudem externen Beschwerdestellen melden:
Internet-Beschwerdestelle von eco und FSM
Jugendschutz.net
• Klären Sie Ihr Kind generell bei der Nutzung sozialer Netzwerke über mögliche Gefahren in Online-Chats auf und bleiben Sie im Gespräch über die Erlebnisse auf Likee und anderen Plattformen. Stellen Sie sich hierbei als vertrauensvolle Ansprechperson zur Verfügung und verzichten Sie auf Vorwürfe oder Strafen, wenn es zu Problemen kommt. Weitere Informationen dazu finden Sie hier.
• Cybergrooming an Kindern (Personen unter 14 Jahren) ist strafbar. Sollte Ihr Kind betroffen sein, können Sie sich auf verschiedenen Wegen Hilfe suchen:
– Dokumentieren Sie die Vorfälle. Machen Sie rechtssichere Screenshots von entsprechenden Nachrichten, Kommentaren und Inhalten.
– Cybergrooming kann bei der Polizei angezeigt werden.
– Außerdem kann Cybergrooming über das Portal von ZEBRA gemeldet werden. Nach einer Prüfung der Angaben wird der Fall an die Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime Nordrhein-Westfalen der Staatsanwaltschaft Köln weitergeleitet. Bei Bedarf steht ZEBRA auch mit Beratungen zur Verfügung.
– Sollten bereits Nacktfotos versendet worden sein, kann mithilfe der Plattform „Take It Down“ verhindert werden, dass diese ungewollt im Internet verbreitet werden.
– Das Hilfe-Portal Sexueller Missbrauch bietet neben Informationen zum Thema auch Unterstützung bei der Suche nach Hilfe- und Beratungsangeboten vor Ort an.
– Das Hilfetelefon Sexueller Missbrauch bietet kostenfreie, anonyme Telefonberatung für Betroffene, Angehörige und alle Interessierten an. Es ist erreichbar unter der Nummer 0800 – 30 50 750
JUUUPORT ist eine Peer-to-Peer-Beratungsplattform, auf der sich Heranwachsende von anderen jungen Menschen beraten lassen können. Die jungen Berater*innen werden von Psycholog*innen ausgebildet und betreut.