Eine Information für Fachkräfte und Familien
Sexualisierte Gewalt gegen Kinder verursacht schwere physische und psychische Schäden und kann Betroffene ihr gesamtes Leben lang traumatisieren. Die gesellschaftliche Verantwortung, Kinder vor solchen schädlichen Erfahrungen zu schützen, liegt bei uns allen.
Nach der Verschärfung der Strafmaßes bei Verbreitung, Erwerb und Besitz von kinderpornografischen Inhalten (§ 184b StGB) im Jahr 2021 drohten Freiheitsstrafen von einem Jahr bis zu zehn Jahren. Das machte den Straftatbestand in juristischer Hinsicht zu einem „Verbrechen“ (§ 12 Abs. 1 StGB). Bei der Verfolgung von Straftaten in diesem Bereich traf es in der Folge nicht immer nur Pädokriminelle. Die Hochstufung als Verbrechen hatte auch weitreichende Folgen für Erziehungsberechtigte, Lehrer*innen und andere pädagogische Fachkräfte. Sogar Kinder und Jugendliche selbst wurden vor erhebliche Schwierigkeiten gestellt: Im Jahr 2023 waren 43 Prozent der Tatverdächtigen in Bezug auf § 184b StGB selbst noch minderjährig.
Warum wurde das Gesetz geändert?
Der gesellschaftlichen Ächtung von pädokriminellen Taten entsprechend wurde 2021 der Tatbestand des § 184b StGB zu einem Verbrechen angehoben. Die dahinter liegende Intention des Gesetzgebers war konsequent. Denn mit der Digitalisierung sind leider nicht nur Chancen, sondern auch Risiken verbunden: Missbrauchstäter*innen steht eine Vielzahl von neuen Plattformen, Wegen und Methoden zur Verfügung. Die Möglichkeiten, Darstellungen sexualisierter Gewalt an Kindern zu verbreiten, sind praktisch nahezu unbegrenzt. Hinzu kommen erschwerte Folgen für die Betroffenen: Die vollständige und endgültige Entfernung von Abbildungen oder Videos aus dem Internet zu erreichen, ist für Betroffene schwierig bis vielfach faktisch unmöglich.
Das macht deutlich: Wir haben es mit neuen Taten, weitreichenderen Auswirkungen für Betroffene und damit einer neuen Dimension an Unrecht zu tun. Es ist klar, dass der angedrohte Strafrahmen stets der Schwere der Tat entsprechen muss. Deswegen war es naheliegend und begrüßenswert, den Straftatbestand des § 184b StGB als Verbrechen auszugestalten. Es ist ein starkes Symbol dafür, dass die Bundesregierung die Bekämpfung sexualisierter Gewalt gegen Kinder als eine wichtige Herausforderung ernst nimmt.
Jedoch mussten die Staatsanwaltschaften durch die Verschärfung des Strafrahmens in einigen Fällen auch gegen Eltern oder Lehrkräfte ermitteln, die kinderpornografische Fotos oder Videos auf den Handys ihrer Kinder fanden und diese diese naiv und fahrlässig, aber ohne pädokriminellen Hintergrund, an andere Eltern oder Lehrkräfte schickten, um über diese Missstände aufzuklären. Dadurch wurden Personen, die den Besitz und die Herkunft kinderpornografischer Inhalte aufklären wollten, selbst angeklagt. Auch Jugendlichen drohten empfindliche Strafen, wenn diese leichtsinnig untereinander Nacktbilder austauschten.
Mindeststrafe wieder herabgesenkt
Diesen Problemen in der Praxis sollte nun entgegnet werden. Die Mindeststrafe für das Verbreiten und Herstellen kinderpornografischer Inhalte (§ 184b Abs. 1 StGB) ist seit dem 28.06.2024 auf sechs Monate und der Besitz oder das Abrufen dieser (§ 184b Abs. 3 StGB) auf drei Monate reduziert. Demnach handelt es sich bei beim Tatbestand des § 184b StGB jetzt wieder um ein „Vergehen“ (§ 12 Abs. 2 StGB). Mit der erneuten Gesetzesänderung geht für einige Beobachter eine fragwürdige Symbolkraft einher. Eine Ausformulierung von Ausnahmeregelungen statt einer bloßen Rückstufung hätte die bessere Signalwirkung bei gleicher Flexibilität erzielt. Schließlich führt die Rückstufung zum Vergehen dazu, dass die Einstellungen des Strafverfahrens (§§ 153, 153a StPO) und ein insgesamt flexiblerer Umgang der Ermittlungsbehörden mit „naiven“ Täter*innen wieder möglich sind.
Was bedeutet das für WhatsApp und Co.?
In der Polizeilichen Kriminalstatistik 2023 sind im Deliktbereich „Verbreitung pornografischer Schriften“ 43,1 Prozent der Tatverdächtigen minderjährig. Das ist kaum verwunderlich: Wenn Jugendliche ihre neu entdeckte Sexualität erkunden, benutzen sie dabei selbstverständlich digitale Medien. Minderjährige senden und teilen ganz unbedarft „sexy Bilder“ an Gleichaltrige – oft über WhatsApp. Die Erwachsenen leben es ihnen vor. Sogar bei Pädagog*innen ist zu beobachten, dass Inhalte in den sozialen Medien und Messenger-Apps unreflektiert und teilweise leichtfertig geteilt und weiterverbreitet werden.
So schreibt beispielsweise eine Lehrkraft an einer Schule einer Kollegin aufgeregt bei WhatsApp, dass von einer 12-jährigen Schülerin Nacktfotos im Umlauf seien und sendet einen Screenshot als Beweis. Das ist nicht nur naiv und unvorsichtig, damit droht sie sich der Verbreitung kinderpornografischen Materials schuldig zu machen. Das gilt unabhängig von oben genannter Gesetzesänderung auch aktuell weiterhin. Die Fotos hätten sofort der Polizei gemeldet werden müssen, anstatt sie weiterzuverbreiten.
Doch nicht nur die sendenden Personen verhalten sich nachlässig. Bei den Empfänger*innen befindet sich das Bild nun – teilweise ohne Kenntnis – im Zwischenspeicher des Smartphones. Die Personen sind damit im Besitz von kinderpornografischem Material. Auch ihnen droht jetzt die Strafverfolgung – also das Gleiche, was auch tatsächlich pädokriminelle Täter*innen erwarten würde. Das ist nicht gerecht. Deshalb hat die Bundesregierung das Gesetz wieder angepasst. Die Reduzierung der Mindeststrafen ermöglicht es jetzt Staatsanwaltschaften und Richtern tat- und schuldangemessen auf den Einzelfall zu reagieren. Die Höchststrafen von 10 bzw. 5 Jahren Freiheitsstrafe bleiben jedoch unberührt, wodurch auch künftig schwere Taten angemessen sanktioniert werden können. Kommt es zu einer Verurteilung, erfolgt eine Eintragung ins erweiterte Führungszeugnis. Damit sind für alle Bestraften pädagogische Tätigkeiten ausgeschlossen.
Wo gibt es Hilfe und Unterstützung?
Projekte zum Jugendmedienschutz für Heranwachsende sowie Informationen und Fortbildungen für Fachkräfte gibt es unter
➔ www.servicestelle-jugendschutz.de
Eine Kampagne der Polizeilichen Kriminalprävention mit weiteren Informationen zur Thematik sowie zu Hilfsangeboten finden Sie unter
➔ www.soundswrong.de
Anzeige kann hier erstattet werden
➔ www.lsaurl.de/eRevierST
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Was Fachkräfte und Eltern tun könnenTeilen Sie nicht über WhatsApp und Co. Haben Sie Sicherheitseinstellungen im Blick: Reden Sie mit den Kindern und Jugendlichen: Leben sie Medienkompetenz (vor): Keinen Zweifel aufkommen lassen: Kein Freifahrtschein: |
Stand: 15.08.2024
Autor*innen: Dr. Katja Bach, Janusz Zimmermann | V.i.S.d.P.: Olaf Schütte